Inkontinenz
Körperflüssigkeiten sind generell schon kein besonders beliebtes Thema bei der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung. Solange Menschen die Kontrolle über eben jene Flüssigkeiten haben, drängen sich diese aber zumindest nicht unangenehm ins Bewusstsein. Geht die Kontrolle jedoch verloren, werden Patienten von der Natur regelrecht dazu gezwungen, sich mit den Körperflüssigkeiten bzw. einer Fehlfunktion des eigenen Körpers auseinanderzusetzen. Und das ist in der Regel mit erhöhtem Schamgefühl verbunden. Menschen haben deshalb Angst vor einer Inkontinenz.
Das Schamgefühl sollte auf keinen Fall überwiegen, denn die Behandlung der Inkontinenz verspricht gute Erfolge. Wir besprechen im Artikel die Angst vor der Inkontinenz und wie damit besser umgegangen werden kann.
- Autorin: Julia Dernbach
- Aktualisiert: 7. Juni 2023
Startseite » Krankheiten » Angst vor Inkontinenz
Angst vor Inkontinenz
Eine Inkontinenz geht mit gleich mehreren, hauptsächlich sozialen Ängsten einher. Dazu gesellen sich außerdem körperliche Sorgen. Es ist am Ende des Tages also eine Kombination aus unterschiedlichen Befürchtungen und Sorgen, welche mit der (Selbst-)Diagnose „Inkontinenz“ verbunden sind.
Körperflüssigkeiten und Körperfunktionen sind kein Thema für die breite Öffentlichkeit bzw. einen Abend in geselliger Runde. Man redet nicht gern darüber. Schon gar nicht, wenn die Kontrolle über besagte Funktionen nachlässt – wie das eben bei der Inkontinenz der Fall ist.
Im Zusammenhang mit dem unfreiwilligen Verlust von Urin treten oftmals Stress, Einsamkeit oder gar Depressionen auf. Betroffene weigern sich, das Haus zu verlassen und vereinsamen somit zusehends. Als besonders peinlich wird meist der mit Inkontinenz assoziierte Geruch empfunden.
Der Mensch ist es gewohnt, grundsätzlich Herr über seinen eigenen Körper zu sein. Er hat ihn und seine Funktionen unter Kontrolle. Bei auftretender Inkontinenz geht genau diese Kontrolle verloren – und das macht Betroffenen zu schaffen.
Die ersten Anzeichen einer Inkontinenz können auch die ersten Zeichen von beginnendem körperlichem Verfall sein. Zumindest sind viele Betroffene dieser Überzeugung.
Solange dieses Urteil aber nur sie selbst fällen und es von keinem Arzt bestätigt wird, besteht zumindest eine theoretische Möglichkeit, dass sich alles von selbst wieder einrenkt und die Sache vielleicht doch nicht so schlimm ist, wie befürchtet. Die ärztliche Diagnose macht das Problem endgültig, was somit dazu führt das dieses Eingeständnis so spät wie möglich gemacht werden soll.
Arten von Inkontinenz
Die Angst vorm Unbekannten ist eine der stärksten Ängste, denen sich ein Mensch immer wieder stellen muss. Wie damit umgegangen wird, ist meist eine Charakterfrage.
Im Fall einer (sich ankündigenden) Inkontinenz ist die Auseinandersetzung mit dem bisher Unbekannten unumgänglich. Um zu wissen, wie mit neuen Situationen umgegangen und welche Maßnahmen gesetzt werden können, ist es wichtig zu wissen, welche Formen der Inkontinenz es gibt.
Belastungsinkontinenz
Früher auch unter der Bezeichnung „Stressinkontinenz“ bekannt. In dem Fall ist die Funktion der Harnblase selbst nicht beeinträchtigt.
Das Problem liegt vielmehr im Schließmuskel, der bei akut auftretendem Druck (Stress) nicht mehr richtig funktioniert und die Harnröhre nicht mehr vollständig verschließt.
Typische Situationen, in denen die Belastungsinkontinenz auftreten kann, sind Lachen, Husten, Niesen und körperliche Anstrengungen jeglicher Art.
Bei Frauen tritt diese Form meist aufgrund von schwacher Beckenbodenmuskulatur (nach Schwangerschaft und Geburt; durch hormonelle Umstellungen) auf.
Wird bei Männern während einer Prostataoperation der Schließmuskel verletzt, kann dies auch zu Belastungsinkontinenz führen.
Dranginkontinenz
Verursacht durch unkontrollierte Konstriktionen der Harnblase, wodurch unvermittelt starker Harndrang entsteht. Trotz funktionierendem Harnröhrenverschluss kann es zu unfreiwilligem Harnverlust kommen. Die Kontrolle über die Harnblase kann aufgrund chronischer Entzündungen, altersbedingter Veränderungen oder einer vergrößerten Prostata beeinträchtigt werden.
Mischinkontinenz
Eine Kombination aus Belastungs- und Dranginkontinenz. Schwierig zu diagnostizieren und zu behandeln, weil es zu einer Vermengung der Symptome kommt. Für die Festlegung der passenden Behandlungsweise ist eine genauere und längerfristige Beobachtung notwendig.
Überlaufinkontinenz
Schwacher, kontinuierlicher Harnverlust. Die Blase wird dabei nie vollständig entleert, da der Harn aufgrund eines Hindernisses oder eines anderen Problems nicht richtig abfließen kann. Beispielsweise durch Prostatavergrößerung oder Harnsteine bedingt. Tritt vornehmlich bei Männern auf.
Dazu kommen weitere Formen wie Inkontinenz bei neurogener Grunderkrankung (z.B. Querschnittslähmung oder Multiple Sklerose), extraurethale Inkontinenz (z.B. nach Operationen oder Bestrahlung), Enuresis (Ein-/Bettnässen), Beckenbodenschwäche, Senkungszustände.
Folgen von Inkontinenz
Grundsätzlich ist eine Inkontinenz keine besonders gefährliche Angelegenheit. Unangenehm, ja, aber schwerwiegende physische Beeinträchtigungen entwickeln sich aus ihr in der Regel nicht.
Die Auswirkungen von Inkontinenz können in zwei Gruppen unterteilt werden.
Bei den körperlichen Folgen handelt es sich meist um Infektionen im Genitalbereich oder um Hautschäden in den entsprechenden Bereichen. Zwar keine direkte Auswirkung, aber durchaus im Zusammenhang mit Inkontinenz kann es vermehrt zu Stürzen kommen, da beim Gang auf die Toilette besondere Eile an den Tag gelegt wird.
Eine bekannte psychische Auswirkung ist beispielsweise eine stete Unruhe, weil der Gedanke an den nächsten unausweichlichen Toilettengang dominierend ist. Auch in der geselligsten Runde. Die Inkontinenz sowie das Bewusstsein über das Tragen etwaiger Schutzmaterialien (Einlagen, Binden etc.) kann Schamgefühle auslösen, die in schlechte Laune, Wut oder Niedergeschlagenheit übergehen. Ziehen sich Betroffene deshalb zurück, droht die Gefahr von Vereinsamung und in schlimmen Fällen sogar von Altersdepression.
Diagnose von Inkontinenz
Wer beim aufkeimenden Verdacht einer Inkontinenz ärztlichen Rat einholen möchte, der kann sich zunächst an seinen Hausarzt wenden, um Informationen und einen allgemeinen Überblick über die Situation zu erhalten.
Nach eingehender Untersuchung wird dann entschieden, ob eine Überweisung an einen Urologen oder gar ein Kontinenzzentrum sinnvoll ist.
Untersuchungen bei Inkontinenz
Die Untersuchungen im Zusammenhang mit einem Inkontinenz-Verdacht sind nicht sonderlich aufwendig. Die Überwindung zum Arzt zu gehen, lohnt sich daher umso mehr.
In der Regel reichen Basisuntersuchungen völlig aus. Den Anfang macht ein ausführliches Arzt-Patienten-Gespräch (Anamnese). Darauf folgt die Untersuchung des Urins.
Ein beliebtes Werkzeug ist ein sogenanntes Miktions- und Trinkprotokoll. „Miktion“ bedeutet nichts anderes als „Harnlassen“. Das Protokoll ist also ein Tagebuch, das Auskunft über das Trink- und Ausscheidungsverhalten geben und etwaige Unregelmäßigkeiten aufdecken soll.
Mittels Ultraschalles werden Harnblase, Harnröhre und Nieren untersucht. Ergeben auch diese Untersuchungen kein deutliches Bild, steht dem behandelten Arzt die Möglichkeit eine Funktionsprüfung von Blase oder Schließmuskel zur Verfügung. In Fachkreisen wird die Blasendruckmessung oder Urodynamik genannt. Ergänzend können Röntgenaufnahmen von der Harnblase angefertigt oder eine Blasenspiegelung durchgeführt werden.
Außerdem liefern Untersuchungen des Enddarms und der äußeren Genitalien möglicherweise Aufschluss über die Ursachen der Inkontinenz. Haben sich Fisteln gebildet? Ist die Prostata vergrößert? Wie ist es um den Spannungszustand des Schließmuskels bestellt?
Bei einer gynäkologischen Untersuchung kann die Senkung der Gebärmutter oder der Scheide als Grund für die Inkontinenz festgestellt werden.
Inkontinenz Vorbeugen
Es gibt einige Dinge, die im Alltag ganz einfach umgesetzt werden können und das Risiko für Inkontinenz deutlich senken. Denn Vorbeugen ist in der Regel besser als eine nachträgliche Behandlung.
Besonders geeignet für Frauen nach der Geburt eines Kindes sowie für Menschen, die unter einer Bindegewebsschwäche leiden. Doch auch Männer können vom Beckenbodentraining profitieren, was sich auch positiv auf die Erektion auswirken kann.
Übergewicht begünstigt das Entstehen von Inkontinenz. Der Deutschen Gesellschaft für Urologie zufolge wird die Anzahl wöchentlicher Inkontinenz-Episoden halbiert durch eine Gewichtsreduktion zwischen 5 % und 10 %.
Ballaststoffreiche Nahrung sorgt für Regelmäßigkeit im Stuhlgang. Das Pressen, welches normalerweise das Schließmuskelsystem belastet, entfällt.
Durch sportliche Betätigung wird nicht nur das Körpergewicht reduziert (siehe auch Punkt „Gewichtskontrolle“). Sportarten wie Schwimmen, Radfahren, Yoga oder Nordic Walking stärken zudem den Beckenboden (siehe auch Punkt „Beckenbodentraining“).
Die Blase kann trainiert werden, indem nicht sofort dem ersten Harndrang nachgegeben wird. Nach Möglichkeit soll die erste Welle abgewartet, und erst dann das WC aufgesucht werden, wenn der Drang nachlässt.
Wer nicht genug trinkt, der sorgt dafür, dass sein Urin besonders konzentriert ist. Und das reizt wiederum den Blasenmuskel. Unverhältnismäßig hohe Flüssigkeitszufuhr kann allerdings auch kontraproduktiv sein.
Inkontinenz Behnadlung
Ist die Inkontinenz bereits eingetreten, gibt es unterschiedliche Therapieansätze. Von Hormonen und Medikamenten über einen Katheter bis hin zu einer Operation.
Besonders wenn die Inkontinenz durch Östrogenmangel in den Wechseljahren hervorgerufen wird, verschreiben Ärzte betroffenen Frauen gerne Hormonpräparate zur lokalen Anwendung (Salbe).
Abhängig von der Art der Inkontinenz können unterschiedliche Medikamente verschrieben werden. Bei Dranginkontinenz eignen sich krampflösende Präparate. Alpharezeptblocker lockern entweder den Blasenverschluss (Überlaufinkontinenz) oder hemmen die spontane Aktivität der Harnblasenmuskulatur (Reflexinkontinenz).
Bei besonders schweren Fällen einer Reflexinkontinenz bleibt manchmal lediglich das Setzen eines Katheters als letzte Möglichkeit, um eine regelmäßige Entleerung der Blase zu garantieren.
Im Fall einer extraurethalen Inkontinenz führt kein Weg an einer Operation vorbei. Ist die Prostata vergrößert, bleibt meist auch keine andere Möglichkeit.
Abgesehen von diesen beiden Varianten ist ein operativer Eingriff meist das allerletzte Mittel, um der Inkontinenz Herr zu werden. Im Zuge einer Operation kann die Harnröhre zum Beispiel durch eine Schlinge, ein Implantat oder einen künstlichen Schließmuskel verschlossen werden.
Manchmal reicht es aber auch schon aus, die Röhre durch Silikon oder Kollagen zu stabilisieren. Außerdem existiert die Möglichkeit, einen „Blasenschrittmacher“ einzusetzen.
Schamgefühle überwinden
Dieser Moment, an dem ein Betroffener realisiert, dass er eventuell an beginnender Inkontinenz leiden könnte, ist mit Sicherheit kein schöner. Ein Schock, geradezu.
Sich aus falschem Schamgefühl zu verstecken oder sich nicht einzugestehen, dass der Körper eventuell erste Anzeichen von Verfall zeigt, ist nicht der richtige Weg. Wichtiger wäre in diesem Fall, Hilfe zu suchen und Hilfe auch anzunehmen.
Die Inkontinenz ist ein gut erforschtes Leiden, die Behandlungsmethoden sind umfassend und erfolgversprechend. Ihr Arzt wird Ihnen in einem beratenden Gespräch alle Möglichkeiten aufzeigen und Ihnen zeigen, was Sie im Alltag tun können, um das Inkontinenzrisiko deutlich zu senken.
Die Suche nach einem Arzt gestaltet sich oft nicht so einfach. Besonders bei so einem vermeintlich heiklen Thema wie Inkontinenz.
Um Ihnen dabei unter die Arme zu greifen, arbeiten wir aktuell am Aufbau einer Ärzte-Datenbank. Dabei achten wir besonders darauf das der Arzts ich auf Angstpatienten mit erhöhten Schamgefühl spezialisiert hat.
Bis dahin möchten wir Ihnen mit unseren Selbsthilfe Ratgeber aushelfen, um die Angst vor einem Arztbesuch zu überwinden. Unser Selbsthilfe Ratgeber Artikel bietet wertvolle Ratschläge zur Überwindung von Ängsten und Schamgefühlen, die eine Kontaktaufnahme mit Ärzten behindern könnten.
Inkontinenz FAQ
Inkontinenz ist der unkontrollierte Verlust von Urin oder Stuhl aus der Blase oder dem Darm.
Inkontinenz kann durch verschiedene Faktoren verursacht werden, wie Schwangerschaft und Geburt, Veränderungen im Alter, Verletzungen oder Erkrankungen wie Parkinson oder Multiple Sklerose.
Inkontinenz wird in der Regel durch eine körperliche Untersuchung, eine Anamnese und gegebenenfalls durch eine Urin- oder Stuhlprobe diagnostiziert.
Üblicherweise beginnt eine klassische Harninkontinenz mit dem ungewollten Abgang von kleinen Harn-Tröpfchen. Da es allerdings unterschiedliche Inkontinenz-Arten gibt, machen sich diese auch auf unterschiedliche Arten bemerkbar.
Inkontinenz ist in den allermeisten Fällen heilbar bzw. sehr gut behandelbar. Wichtig ist in diesem Zusammenhang herauszufinden, um welche Art von Inkontinenz es sich handelt und wie stark ausgeprägt diese ist. Dann kann die Therapie an die individuelle Ausformung angepasst werden, was wiederum eine höhere Erfolgswahrscheinlichkeit verspricht.
Ein gesunder Lebensstil mit ausreichend Bewegung und ballaststoffreicher Nahrung hilft dabei, einer Inkontinenz vorzubeugen. Zudem senkt sich das Risiko durch eine 5-10-prozentige Gewichtsreduktion bereits deutlich. Mit Beckenbodentraining kann das betroffene (Muskel)Gewebe gezielt gestärkt werden.
Wer das Wort „Inkontinenz“ hört, der denkt sofort an unkontrollierten Austritt von Harn. In seltenen Fällen leiden Patienten aber auch unter einer Stuhlinkontinenz.
Die Behandlung von Inkontinenz hängt von der Ursache ab und kann konservative Maßnahmen wie Beckenbodentraining und Änderungen des Lebensstils sowie Medikamente und chirurgische Eingriffe umfassen.
Ja, Inkontinenz kann auch bei Männern auftreten und kann durch verschiedene Faktoren wie Prostataoperationen oder Verletzungen verursacht werden.
Inkontinenz kann im Alltag durch den Einsatz von speziellen Hilfsmitteln wie Einlagen und Windeln, Toilettenroutinen und einer bewussten Flüssigkeitsaufnahme besser bewältigt werden.
Inkontinenz ist bei älteren Menschen häufiger, aber es sollte nicht als normaler Teil des Alterns angesehen werden. Es ist wichtig, die Ursache der Inkontinenz zu untersuchen und geeignete Behandlungsoptionen zu diskutieren.
Ja, Inkontinenz kann nach einer Hysterektomie auftreten, insbesondere wenn während der Operation Schäden an den Beckenbodenmuskeln oder Nerven aufgetreten sind.
Das Risiko einer Inkontinenz bei Frauen kann durch gezieltes Beckenbodentraining, regelmäßige Bewegung und eine gesunde Ernährung reduziert werden. Frauen sollten auch vermeiden, schwere Gegenstände zu heben und das Rauchen aufgeben, da dies das Risiko für Inkontinenz erhöhen kann.
Quellen:
- Inkontinenz – wenn Blase oder Darm schwächeln | Apotheken Umschau
- Stress incontinence and pelvic floor neurophysiology 15 years after the first delivery – pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
Autoren, Überprüfung und Gestaltung:
Autorin: Julia Dernbach
Medizinische Überprüfung: Thomas Hofmann
Einarbeitung und Gestaltung: Matthias Wiesmeier