Angst zu Stottern
Gelegentlich hat jeder Mensch sprachliche Probleme. Es ist schwer, die richtigen Worte zu finden, man wiederholt oder verhaspelt sich. Von diesem normalen „Problemen“ grenzt sich Stottern (Balbuties) ab. Stottern betrifft sowohl Jung als auch Alt. Dabei ist der Redefluss gestört. Stottern ist daher keine Sprach-, sondern eine Sprechstörung.
Wir berichten, was die Ursachen sind, wie sich Stottern äußert und welche Behandlungsmöglichkeiten infrage kommen. Außerdem geben wir hilfreiche Tipps gegen Stottern aus Nervosität und erklären was Angehörige tun können.
- Autor: Julia Dernbach
- Aktualisiert: 14. September 2022
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Stottern kann genetische, neurologische, psychologische oder Entwicklungs-, & Situationsabhängige Faktoren haben.
Viele Menschen tragen die Veranlagung zum Stottern bereits in sich, aber nicht bei jedem tritt die Sprechstörung auf.
In der Medizin erfolgt eine Unterscheidung zwischen Ursache und Auslöser. So sind beispielsweise traumatische Erlebnisse in der Kindheit (z. B. Scheidung der Eltern, Unfall) nicht die Ursache, sondern vielmehr Auslöser für das Stottern.
Grundsätzlich gilt auch beim Stottern wie bei vielen anderen Beschwerden: Je früher eine Therapie erfolgt, umso besser sind die Erfolgsaussichten. Hat sich das Stottern bis ins Erwachsenenalter gehalten, ist ein vollständiger Rückgang der Sprachstörung nur noch schwer möglich.
Erwachsene können allerdings lernen, damit selbstbewusst umzugehen und gezielt Sprechtechniken einzusetzen. So erhalten sie mehr Sprechkontrolle für ein deutlich flüssigeres Sprechen.
Nein. Zwar versuchen Forscher seit mehreren Jahrzehnten, ein Mittel gegen die Sprechstörung zu entwickeln, bislang aber ohne Erfolg. Aktuell verwendete Medikamente zur Reduzierung des Sprachproblems dienen mehr der Beruhigung und helfen – wenn überhaupt – nur kurzzeitig.
Was ist Stottern?
Der medizinischen Fachbegriff „Balbuties“ leitet sich vom lateinischen Verb „balbutire“ ab, was so viel wie stottern bedeutet. Bei Stottern handelt es sich um eine motorisch bedingte Störung, bei welcher der normale Redefluss unterbrochen ist.
Häufig beginnt die Sprechstörung im Kindheitsalter. Betroffen sind vor allem Kinder, die gerade das Artikulieren erlernen und selbstständig mit dem Sprechen beginnen.
In einigen Fällen kann das Problem bis ins Erwachsenenalter anhalten, in anderen Fällen hingegen verschwindet es von allein wieder.
Der Verlauf der Störung ist also sehr individuell. Das gilt auch für Ausprägung und Art.
Ursachen für Stottern
In der Forschung wird davon ausgegangen, dass Stottern verschiedene Ursachen hat.
Neben einer Störung der Nervensignale scheinen auch somatische Gründe (z. B. Schädel-Hirn-Trauma, Hirnschädigung in der frühen Kindheit) ursächlich zu sein.
Auch psychologische oder genetische Faktoren stehen im Verdacht, eine Redefluss-Störung zu begünstigen. Treten dann bestimmte Auslöser wie Stress, starke Belastung, ein Trauma oder ein Verlust ein, beginnen Betroffene zu stottern.
Stottern kann innerhalb einer Familie vererbt werden. Unterstützt wird die These dadurch, dass Jungen und Männer häufiger stottern als Mädchen und Frauen. Allerdings handelt es sich dabei nicht um eine direkte Vererbung, sondern nur um eine Veranlagung.
Neben genetischen Faktoren scheinen auch neurologische Faktoren eine Rolle beim Stottern zu spielen. Es wird vermutet, dass eine Störung von Nervensignalen, welche für das Sprechen verantwortlich sind, sowie eine motorische Störung der Sprachorgane zu Stottern führen.
Wissenschaftler haben inzwischen auch herausgefunden, dass es im Gehirn einen bestimmten Bereich gibt, der Einfluss auf das Stottern hat. Dabei handelt es sich um ein überaktives Netzwerk im vorderen Gehirnbereich.
Posttraumatische Lebensereignisse können die Entstehung von Stottern begünstigen. Stottern ist allerdings keine psychische Störung, sondern eine motorisch bedingte Sprachbehinderung.
Es entsteht unabhängig von der sozialen und kulturellen Herkunft, auch Bildungsgrad sowie Umgang innerhalb einer Familie haben keinen Einfluss.
Stottern ist vor allem bei Kindern entwicklungsbedingt und dann nicht zwingend behandlungsbedürftig.
Bei Erwachsenen, die ansonsten keine Probleme mit dem Sprechen haben, kann sich Stottern in bestimmten Situationen zeigen (z. B. beim Halten einer Rede aufgrund von Nervosität). Auch in diesem Fall hat das Stottern keinerlei Krankheitswert.
Symptome bei Stottern
- Laute werden wiederholt
- Laute werden beim Sprechen in die Länge gezogen
- Die ersten Buchstaben eines Wortes werden ohne Laut „gepresst“
- Veränderung der Atmung
- Blinzeln
- Schwitzen
- Zittern der Lippen
- bestimmte Kopf- und Gesichtsbewegungen während des Sprechens
Stottern bei Kindern
Stottern beginnt meist im Kleinkindalter, wenngleich zu diesem Zeitpunkt noch keine konkrete Ursache erkennbar ist. Kinder lernen in dieser Lebensphase viele neue Begriffe und das Gehirn speichert neue Eindrücke ab, die verarbeitet werden müssen.
Wenn Kinder das Alter von zwei Jahren erreichen und langsam damit beginnen, deutlicher zu sprechen, vermischen sich mitunter Gedanken und Sprache.
Bei etwa einem Viertel der betroffenen Kinder bleibt die Störung in den weiteren Lebensjahren bestehen, beim Rest entwickelt sich die Sprache normal.
Stottern bei Erwachsenen
Betroffene, die im Erwachsenenalter noch stottern, kämpfen oft mit Scham und Unsicherheit. In den meisten Fällen verschwindet die Sprechstörung nicht mehr von allein.
Behandlung von Stottern
Eine Therapie gegen Stottern ist immer dann angezeigt, wenn es einen Krankheitswert besitzt und unabhängig von der Entwicklung oder bestimmten Situationen auftritt.
Logopäden und Sprachtherapeuten sind dann die richtigen Ansprechpartner. Auch Sprech-, Atem-, Stimm- sowie Sprachheilpädagogen können hilfreich sein.
Da sowohl Verlauf als auch Symptome sehr individuell sind, gibt es kein einheitliches Therapiekonzept für alle Betroffenen.
In einer Therapie werden daher Lösungsansätze entwickelt, die alle Gegebenheiten des Betroffenen (z. B. Alter, psychologische Vorgeschichte, Erkrankungen, Art und Ausprägung des Stotterns) berücksichtigen.
- Übung von flüssigem Sprechen
- Erlernen leichterer Sprechweisen für den Alltag
- Entwicklung eines Gefühls für den eigenen Sprech- und Atemrhythmus
- dem Betroffenen Ängste nehmen
Einige Unterschiede zeigen sich aber in den therapeutischen Maßnahmen für Kinder und Erwachsene.
Stottertherapie bei Kindern
Beim direkten Ansatz liegt der Fokus auf die Sprechstörung. Kinder lernen in der Therapie die Kontrolle des Stotterns sowie Entspannung bei auftretenden Blockaden. Beides soll dabei helfen, Gesprächssituationen möglichst ruhig zu überwinden.
Beim indirekten Ansatz liegt der Fokus nicht auf dem Sprachproblem, sondern auf den daraus resultierenden Ängsten. Es wird versucht, die Lust am Sprechen zu unterstützen und ein angstfreies und ruhiges Sprechen zu fördern. Erreichen lässt sich das mit Sprach- und Bewegungsspielen (z. B. rhythmische Lieder und Verse). Zudem kommen Entspannungs- und Dialogübungen zum Einsatz. Wichtig ist außerdem die Einbeziehung der Eltern in die Therapie.
Stottertherapie bei Erwachsenen
Fluency Shaping verfolgt das Ziel, die Sprechweise derart zu verändern, dass das Stottern verhindert wird. Ein weicher Stimmeinsatz zu Beginn eines Wortes sowie das Dehnen von Vokalen gehören hier zu den Techniken. Außerdem lernen sie, ihre Atmung besser zu kontrollieren. Fluency Shaping muss intensiv geübt werden, um es zu verinnerlichen. Erst dann kann sich das Sprechen, dass zunächst etwas merkwürdig klingt, zu einem natürlichen Sprachfluss entwickeln.
Die Methode der Stottermodifikation verfolgt nicht das Ziel, Stottern gänzlich zu vermeiden. Vielmehr soll das vorhandene Stottern zu einem flüssigen Stottern umprogrammiert werden. Betroffene lernen dabei, auf ihr Stottern zu reagieren und dann in den gestörten Redefluss einzugreifen.
Tipps gegen Stottern
Grundsätzlich kann eine Therapie die Symptome des Stotterns reduzieren, ganz verschwinden wird die Sprechstörung aber nicht. Durch Training, eine gewisse Selbstreflexion, ein gutes Selbstbewusstsein und ein starkes Selbstbild können Betroffene die Symptome aber selbst verringern.
Ein entscheidender Faktor ist, die eigene Art des Sprechens für sich zu akzeptieren. Es gibt zahlreiche Menschen, die ebenfalls stottern – unabhängig vom Alter oder anderen Gegebenheiten. Wer sich bewusst macht, dass das Stottern zu ihm gehört und nichts ist, wofür er sich schämen muss, kann sich dem täglichen Kampf des Sprechens nach Norm besser stellen.
Häufig werden Stotterer von Mitmenschen missverstanden und als nervös oder gar unintelligent abgestempelt. Diesen Vorurteilen gilt es vorzubeugen, indem die eigene Situation offen angesprochen wird. Das Sprechen wird leichter und der Gegenüber kann sich darauf einstellen.
Der Austausch mit anderen Stotternden ist hilfreich. Dabei geht häufig auch die Angst vor dem Sprechen zurück, obwohl der Schweregrad meist sehr unterschiedlich ist. Dennoch kennen Gleichgesinnte das Problem und gehen damit normal um. Selbsthilfegruppen sind hierfür ein guter Ansatz. BVSS bietet HIER einen Überblick von Selbsthilfegruppen.
Wie können Angehörige helfen?
Stottern ist nicht komplett heilbar. Da sich Betroffene oft schämen, sind sie nervös und ihr Stottern wird stärker. Angehörige und Freunde können dem Betroffenen aber dennoch helfen…
Stotterer neigen oft zu Vermeidungsverhalten. Es ist deshalb wichtig, Betroffenen das Sprechen nicht abzunehmen. Es mag zwar ein unangenehmes Gefühl sein, auf einen vollständigen Satz zu warten, daran sollten sich Angehörige aber gewöhnen und sich nichts anmerken lassen.
Stotternde, die scheinbar länger nach einem Wort suchen, haben eine Blockade. Für Betroffene fühlt es sich so an, als bekämen sie kaum Luft und keinen Ton heraus. Sie wissen durchaus, was sie sagen möchten, werden durch die Blockade aber daran gehindert. Es gilt zu vermeiden, Stotternde in diesem Fall Worte in den Mund zu legen oder sie zu „korrigieren“.
Professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, um die eigenen Schwierigkeiten beim Sprechen in den Griff zu bekommen, ist eine Sache. Gerade Eltern neigen dazu, ihr Kind in unzählige Therapien zu stecken, um das Stottern zu „bekämpfen“. Für den Betroffenen selbst entsteht so oft aber das Gefühl, den Ansprüchen der Angehörigen nicht zu entsprechen. Es entsteht ein Leistungsdruck und ein Gefühl der Unzulänglichkeit. Solche Gefühle sollten unbedingt vermieden werden. Vielmehr ist es wichtig, empathisch und unterstützend mit Betroffenen umzugehen und sie so zu akzeptieren, wie sie sind.
Hilfe und Therapie gegen Stottern
Oft ist Stottern noch ein Tabuthema und mit vielen Vorurteilen behaftet. Doch das muss es nicht sein. Es gibt viele Menschen, die unter dieser Sprechstörung leiden. Aus falscher Scham trauen sich die wenigsten, eine Stottertherapie in Anspruch zu nehmen.
Scheuen Sie sich, einen Therapeuten vor Ort aufzusuchen, dann ist eine Online-Beratung, als erster Ansatz, eine gute Alternative, bei der Sie über Ihre Sorgen sprechen können. Im nachfolgenden liefern wir hilfreiche Links für Hilfesuchenden.
Aktuell können wir leider keine Online-Therapie empfehlen. Wir bemühen uns in Zukunft passende Angebote für eine therapeutische Online-Behandlung zur Verfügung zu stellen.
Quellen:
- Overcoming Fear and Tension in Stuttering – stutteringhelp.org
Inhalt wurde verfasst von: Julia Dernbach – Medizinisch überprüft von: Thomas Hofmann