Arbeitssucht

Süchtig nach Arbeit | Arbeitssucht überwinden

Die Arbeitssucht ist eine sogenannte „stoffungebundene“ Sucht, die von einem zwanghaften Verhältnis zur Arbeit gekennzeichnet ist. Betroffene definieren sich also hauptsächlich über ihre Leistung am Arbeitsplatz, bauen ihr gesamtes Selbstbild darauf auf. Sie räumen der Arbeit einen ungesund großen Teil in ihrem Leben ein.

Welche Phasen der Arbeitssucht gibt es? Wie erkennt man an sich selbst die Sucht nach der Arbeit und was können Arbeitgeber tun? Wir klären über Anzeichen, Überwindungsmethoden und Gründe der Arbeitssucht auf. 

Übersicht:
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    Häufige Fragen:

    Bei der Arbeitssucht handelt es sich um eine sogenannte „stoffungebundene“ Sucht. Die Arbeit nimmt einen immer größeren Platz im Leben des Betroffenen ein. Familie, Freunde und Hobbys werden vernachlässigt. Arbeitssüchtige versuchen durch übermäßigen Einsatz auf dem Arbeitsplatz negative Gefühle zu kompensieren. 

    Arbeitssucht kann einerseits durch akute Traumata ausgelöst werden. Betroffene versuchen, die im Privatleben entstandenen negativen Gefühle (Midlife-Crisis, Scheidung, Tod etc.) durch Erfolgserlebnisse am Arbeitsplatz zu kompensieren und werden süchtig nach der Bestätigung. Andererseits spielt der Erziehung eine große Rolle (Leistungsgedanke) bzw. die Fähigkeit des Betroffenen, mit dem in unserer Gesellschaft vorherrschenden Leistungsdruck umzugehen.

    Ja, diese Gefahr besteht bei besonders schweren Fällen von Arbeitssucht durchaus. Betroffene arbeiten immer und immer wieder bis zur Erschöpfung, betreiben Raubbau am eigenen Körper. Dadurch entstehen Herz-Kreislauf-Probleme, die dazu beitragen, dass Arbeitssüchtige weit vor dem Erreichen ihrer eigentlichen Lebenserwartung sterben. In Japan gibt es dafür sogar einen eigenen Begriff: Karōshi.

    Arbeitssucht erklärt

    Was genau definiert die Sucht nach Arbeit?

    Die Arbeitssucht ist eine sogenannte „stoffungebundene“ Sucht. Im Gegensatz zur Alkohol- oder Drogensucht gibt es also keinen Stoff, der im Zentrum der Sucht steht.

    Vielmehr ist es bei Arbeitssüchtigen – auch bekannt als „Workaholics“ – die Arbeit, um die sich das gesamte Leben dreht.

    Wobei die Bezeichnung Workaholic heute meist als Bezeichnung für jemanden verwendet wird, der zwar sehr viel arbeitet, allerdings noch zu einem gewissen Ausgleich imstande ist. Leute, deren einziger Lebensinhalt tatsächlich nur noch die Arbeit ist, sind weit über diesen Status hinaus betroffen.

    Arbeitssüchtige ziehen ihre Selbstbestätigung ausnahmslos aus der Arbeit. Dabei ist es egal, wie sinn- oder wertvoll die Arbeit ist. Wichtig ist nur, dass sie erledigt wird. Und das mit dem allerhöchsten Maß an Perfektion. Nun ist gegen einen Mitarbeiter, der gewissenhaft seine Aufgaben erfüllt, nichts einzuwenden.

    Die Grenze hin zum zwanghaften Verhalten ist allerdings schnell überschritten.

    Der Weg zurück wird dann oft mühsam. Um Anzeichen der Arbeitssucht möglichst früh erkennen zu können, ist es wichtig, über die vier Entwicklungsstadien der Zwangsstörung Bescheid zu wissen.

    Phasen der Arbeitssucht

    Die Vier Phasen einer Sucht nach Arbeit

    Die Arbeits- und Organisationspsychologin Fritzi Wiessmann hat die Entwicklung einer Arbeitssucht in vier unterschiedliche Phasen eingeteilt.1ritzi Wiessmann: Arbeitssucht. In: Kurt Landau (Hrsg.): Lexikon Arbeitsgestaltung: Best Practise im Arbeitsprozess. Genter, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-87247-655-5, S. 191f.

    Betroffene oder deren Angehörige haben somit ein Klassifikationssystem zur Verfügung, mithilfe dessen sie Muster frühzeitig erkennen können. 

    Anfangsphase

    Der Anteil der Arbeit am Alltag wächst deutlich. Selbst in der Freizeit nimmt sie viel Platz ein. Die Familie wird vernachlässigt, Freunde und Hobbys kommen zu kurz. Der Arbeitssüchtige sorgt immer weniger für notwendigen Ausgleich.

    Kritische Phase

    Betroffene versuchen, ihren übermäßigen Einsatz zu rechtfertigen. Alle anderen Lebensbereiche werden der Arbeit untergeordnet. Das Pensum ist nicht mehr zu schaffen, die Menge an Aufgaben überfordert den Betroffenen. Arbeit wird teilweise gehortet. Erste Erschöpfungssymptome machen sich bemerkbar.

    Chronische Phase

    Der Betroffene hat große Schwierigkeiten damit, Arbeit zu delegieren. Der Perfektionismus gewinnt die Oberhand. Obwohl akut überlastet, sucht der Arbeitssüchtige weiter nach Aufgaben und Herausforderungen. Überlastungssymptome sind sehr deutlich zu sehen (schwere Depressionen, Herz-Kreislauf-Störungen, Angstzustände etc.).

    Endphase

    Die Leistungsfähigkeit der Betroffenen bricht ein, Folgeerscheinungen sind deutlich zu erkennen. Der konstante Raubbau am Körper fordert seinen Tribut. So werden viele Workaholics bereits in ihren 50ern arbeitsunfähig und sterben oft schon sehr früh.


    Karōshi: Tod durch Überarbeitung

    Die japanische Gesellschaft ist – sofern diese Verallgemeinerung an dieser Stelle gestattet ist – besonders leistungs- und arbeitsorientiert. Sich Überstunden aufzuhalsen, gehören zum guten Ton, unbedingter Einsatz für seinen Arbeitgeber ebenfalls. Die Folge sind viele Todesfälle aufgrund von Überarbeitung, konkret durch Herzinfarkt, Herzversagen oder Schlaganfall.

    Auslöser der Arbeitssucht

    Wie entsteht eine Arbeitssucht?

    Die Ursachen für das Entstehen von Arbeitssucht reichen oft bis in die Kindheit zurück. Eine besonders große Rolle spielt das in unserem Kulturkreis vorherrschende Narrativ, dass lediglich besonders fleißige und arbeitssame Personen ein wertvoller und nützlicher Teil der Gesellschaft seien.

    Der überwiegende Großteil der Menschen versucht, diese kollektiven Erwartungen zu erfüllen, sich in dieses Rollenbild einzufügen.

    Weniger gute Phasen – die nun mal in jedem Leben irgendwann vorkommen – sind ein Problem und müssen durch noch mehr (Arbeits)Einsatz wieder wettgemacht werden. Der Grundstein für diese Einstellung wird dabei bereits in der Kindheit gelegt.

    In der Erziehung eine Balance zwischen Freiheit und Regeln zu finden, ist natürlich schwierig. Zu viel Leistungsdruck gibt dem Kind allerdings schnell das Gefühl, nur dann etwas wert zu sein, wenn es mit Leistung brilliert. Gelingt dies nicht, entstehen Schuldgefühle. 

    Bestätigung & Belohnung

    Arbeitssüchtige versuchen, durch übertriebenen Einsatz Anerkennung und Bestätigung zu erlagen, ein mitunter ramponiertes Selbstvertrauen zu stärken. Gelingt dies, wird im Gehirn das Belohnungszentrum angesprochen, es kommt zur Ausschüttung von Dopamin. Genau derselbe Vorgang, der bei Gebrauch von Suchtmitteln angeschoben wird. Typisch dafür ist, dass die Dosis nach und nach gesteigert werden muss, um einen befriedigenden Effekt zu erzielen. Im Fall von Arbeitssüchtigen heißt das: Arbeiten, arbeiten, arbeiten.

    Persönliche Auslöser

    Manchmal sind aber schlicht persönliche Traumata der Auslöser für eine Arbeitssucht. Der Tod einer nahestehenden Person, die Midlife-Crisis, eine Scheidung etc. Der Betroffene versucht, die negativen Gefühle durch Anerkennung am Arbeitsplatz zu überdecken und rutscht somit immer weiter in Richtung Workaholic. 

    Tipps für Arbeitgeber

    Wie können Arbeitgeber arbeitssüchtige Angestellte erkennen?

    Da die Grenzen zwischen einem motivierten und einem arbeitssüchtigen Mitarbeiter fließend sind, ist es für Vorgesetzte meist alles andere als einfach zu erkennen, ob Personen im Betrieb gefährdet sind. Ein guter Arbeitgeber kümmert sich auch um das Wohlergehen seiner Angestellten. Das bringt einerseits Vorteile auf rein wirtschaftlicher Ebene, sorgt aber außerdem für ein besseres Arbeitsklima und eine höhere Identifikation der Arbeitnehmer mit dem Betrieb.

    Achten Sie auf folgende Anzeichen:
    Krankheiten treten gehäuft auf

    Der Arbeitnehmer leidet häufig an Herz-Kreislauf-Beschwerden oder Rückenschmerzen. Immer öfter treten Stimmungsschwankungen oder Blackouts auf. Erschöpfung wird zum Dauerzustand. Oft sind Geschwüre die körperliche Manifestation von seelischen Problemen. In extremen Fällen kommt es zum Hörsturz.


    Auffälliges Verhalten im Team

    Arbeitssüchtige sind übermäßig kritisch und fallen durch wiederholte Wutausbrüche auf. Zudem wechselt ihre Stimmung häufig und abrupt.


    Auffälliges individuelles Verhalten

    Auch an eigentlich freien Tagen wird gearbeitet. Die Mitarbeiter vernachlässigen Familie, Freunde und Hobbys. Eine mögliche Sucht wird strikt geleugnet.


    Arbeitsmoral

    Arbeitssüchtige sind nicht fähig, Aufgaben zu delegieren, sie leiden an übermäßigem Kontrollwahn und ungesundem Perfektionismus.

    Eine Arbeitssucht kennzeichnet sich durch zwei scheinbar konträre Dynamiken. Zwanghaftem Arbeiten stehen Vermeidungsstrategien und Aufschieben gegenüber.

    Was auf den ersten Blick widersprüchlich erscheint, ergibt bei genauerer Betrachtung durchaus Sinn. Arbeitssüchtige sind meist perfektionistisch veranlagt.

    Gleichzeitig können sie keine Aufgaben delegieren, sondern halsen sich sämtliche Arbeit selbst auf. Dadurch kommt es zu einem regelrechten Stau, die zu erledigenden Aufträge stapeln sich, der selbst auferlegte Druck steigt und der Fokus wird noch mehr auf die Arbeit gelegt.

    Überwindung von Arbeitssucht

    Tipps gegen die Arbeitssucht

    Wie die meisten Süchte wird sich die Arbeitssucht mit der Zeit verschlimmern, bis jemand nach Hilfe sucht. Betroffene erleiden oft erst ein „Burnout“ bevor Sie nach Hilfe suchen. Ein Burnout kann zu extremem Stress, Beziehungsproblemen und sogar Drogenmissbrauch führen.

    Auch eine soziale Isolation kann die Folge von zu viel Arbeit sein. Schließlich kann auch die Überanstrengung zu einem geschwächten Immunsystem und einem erhöhten Krankheitsrisiko führen.

    Mit hilfreichen Tipps oder im schlimmsten Fall mit einer professionellen Behandlung können Betroffene Arbeitssüchtige eine gesunde Arbeitsbalance in ihrem Leben wiederherstellen.

    Wichtigster Tipp: Auszeit von der Arbeit

    Auch wenn es noch so schwer fällt: Regelmäßige Auszeiten von der Arbeit sind wichtig. Nicht umsonst sind Urlaube in Deutschland sogar mehr oder weniger verpflichtend geregelt. Der Körper und Geist braucht Erholung. Wichtig ist es dabei auch wirklich den aktuellen Arbeitsplatz zu verlassen. Wer von zu Hause aus arbeitet, sollte also nicht zu Hause Urlaub machen, sondern tatsächlich in ein fremdes Land oder zumindest einem Hotel unterkommen.

    Feste Arbeitszeiten einhalten

    Überarbeitet ist sich schnell: Wer süchtig nach Arbeit ist, bemerkt oft gar nicht wie schnell die Zeit vergeht. Daher ist es äußerst empfehlenswert sich für die Arbeitszeiten geregelte Zeiten zu stellen. Ab einem gewissen Zeitpunkt darf die Arbeit keine Macht mehr über das Leben haben.

    Hobbys nachgehen

    Egal ob Sport geschaut oder selbst Sport getrieben wird. Auch wenn letzteres für den Körper und dem Geist noch besser ist, so sind Hobbys ein wichtiger Ausgleich zur Arbeit. Doch auch andere Hobbys die nichts mit Sport zu tun haben, sollten nicht benachteiligt sondern gezielt gefördert werden. Wenn Sie über kein einziges leidenschaftliches Hobby verfügen, ist es an Zeit sich eines zu suchen. Manchmal kann es sehr erfreulich sein, wieder alte Hobbys und Lieblingsbeschäftigungen aus der Kindheit auf leben zu lassen.

    Professionelle Hilfe

    Wenn Tipps nicht mehr helfen...

    Die Arbeitssucht ist zwar keine offiziell anerkannte Sucht, die Therapieformen sind aber ident.

    Der erste Schritt ist dabei immer die Selbsterkenntnis. Nur wer sich der Tatsache bewusst ist, dass er ein Problem hat, kann an eben diesem Problem auch arbeiten.

    Besonders vielversprechend sind im weiteren Verlauf Psychotherapien wie die Kognitive Verhaltenstherapie (KVT). Entweder in Einzelsitzungen oder in der Gruppe. Ziel der KVT ist es, festgefahrene, schädliche Verhaltensmuster zu erkennen und zu verändern.

    Psychotherapeuten sind ein guter Ansprechpartner, wenn es um die Behandlung einer Arbeitssucht geht. Allerdings scheuen viele Menschen vor dem Gang zum Psychiater zurück – beispielsweise aus falscher Scham. Für sie sind Selbsthilfegruppen wie die Anonymen Arbeitssüchtigen (AAS) möglicherweise eine passendere Option.

    Wer sich hingegen auf die Suche nach einem Therapeuten in seiner näheren Umgebung machen möchte, der kann dafür z.B. die Ärztesuche auf Google nutzen. 

    Online Psychologen:

    Aktuell können wir leider keine Online-Therapie empfehlen. Wir bemühen uns in Zukunft passende Angebote für eine therapeutische Online-Behandlung zur Verfügung zu stellen.

    Übersicht:
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      Quellen:

      1. Fritzi Wiessmann: Arbeitssucht. In: Kurt Landau (Hrsg.): Lexikon Arbeitsgestaltung: Best Practise im Arbeitsprozess. Genter, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-87247-655-5, S. 191f.
      2. AAS Anonyme Arbeitssüchtige in Deutschland, Österreich – arbeitssucht.de

      Autoren, Überprüfung und Gestaltung:

      Autorin: Julia Dernbach

      Medizinische Überprüfung: Thomas Hofmann

      Einarbeitung und Gestaltung: Matthias Wiesmeier

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