Hybristophilie
Manche Menschen fühlen sich stark zu Schwerkriminellen und Mördern hingezogen. Diese sexuelle Vorliebe ist unter dem Begriff Hybristophilie bekannt und gilt als Paraphilie, also als abweichendes Sexualverhalten.
Abhängig von der Art dieser Faszination ist auch vom Bonnie-und-Clyde-Syndrom die Rede. Die Betroffenen können etwas gegen ihre extreme Einstellung tun sich durch Kommunikation oder einer Therapie helfen lassen.
Wir erklären die Hintergründe für Hybristophilie und mögliche Therapien.
- Autorin: Julia Dernbach
- Aktualisiert: 14. April 2023
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Die Faszination des Bösen basiert oft auf verdrängten Gefühlen. Wer sich einen Kriminellen verliebt, leidet beispielsweise unter starken Minderwertigkeitskomplexen und braucht eine besondere Art der Bestätigung. Doch manche Menschen sind auch von inhaftierten Verbrechern angetan, weil diese nicht entkommen können.
Typischerweise sind es Frauen, die einem Schwerverbrecher oder sogar Psychopathen verfallen. Einige von ihnen glauben, dass sie den Kriminellen „retten“ können. Zumeist sind die Frauen aber dem narzisstischen Charakter verfallen. Von diesem geht ein intensiver Sog aus, den sie sich nicht entziehen können und wollen. Manipulation, Machtspiele und Rebellentum sind dabei wichtige Elemente.
Wer ein Verbrechen begeht, durchbricht das Machtgefüge und nimmt sich, was er will. Diese Tatkraft hat auf Menschen mit Hybristophilie eine erotisierende Wirkung. Genau deshalb werden einige Massenmörder wie Stars umschwärmt. Sie erhalten Liebesbriefe und Heiratsanträge. Wenn sie ihre Strafe abgesessen haben, stehen ihnen viele verliebte Frauen zur Auswahl.
Wenn Frauen Mörder lieben
Überführte Schwerverbrecher sitzen viele Jahre lang in Haft. Je schlimmer ihr Verbrechen ist, umso größer ist die Aufmerksamkeit dafür. So erfahren viele Menschen, was die Kriminellen getan haben. Daraus erwächst bei einigen Menschen ein übermäßiges Interesse: Der Verbrecher im Rampenlicht wird zu einer Art Star.
Manche Frauen beginnen eine Brieffreundschaft mit den Schwerkriminellen. Sie glauben, dass sie als einzige Person diesen Menschen verstehen. Gleichzeitig erscheint der Kriminelle als unerreichbar, da er lange Zeit im Gefängnis bleiben muss.
Wenn der Verbrecher schließlich entlassen wird, suchen sich solche Frauen meistens den nächsten Kandidaten, um ihm zu schreiben. Doch manchmal tritt die Hybristophilie auch genau jetzt in den Vordergrund: Endlich können die sexuellen Fantasien ausgelebt werden.
In Extremfällen wird die Frau zur ebenfalls kriminellen Begleiterin des Verbrechers, wie beim Klassiker Fall von Bonnie und Clyde.
Verbrecher stehen außerhalb des Gesetzes und der üblichen Normen. Sie spielen mit ihrer Macht zu töten oder zu rauben. Manche Menschen, vor allem Frauen, empfinden eine starke Zuneigung zu einem Übeltäter. Sie erträumen sich eine sexuelle Beziehung. Genau um diese Faszination handelt es sich bei der Hybristophilie.
Warum fühlt man sich hingezogen?
Viele Menschen beginnen eine Brieffreundschaft mit Strafgefangenen, um beispielsweise etwas über die Gründe für das Verbrechen zu erfahren oder einfach, um sich zu engagieren. In einigen Fällen entsteht durch die Briefe eine enge emotionale Beziehung. Daraufhin kann direkt nach dem Ende der Gefangenschaft die wahre Liebe beginnen.
Nicht hinter jeder dieser Geschichten steht Hybristophilie. Doch wenn die Kontakte in der Außenwelt unter der Nähe zu einem Schwerverbrecher leiden, weist dies auf ein ungesundes Verhalten außerhalb der Norm hin.
Es wirkt seltsam, wenn prominente Mörder und Schwerverbrecher ganze Wäschekörbe voller Briefe bekommen. Noch erschreckender ist die Tatsache, dass es sich dabei oft um Liebesbriefe handelt. Selbst Terroristen haben viele Fans – die schreibenden Frauen sind von dem Größenwahn und der Manipulationskraft des Psychopathen einfach fasziniert.
Gelegentlich steckt auch eine Rettungsfantasie hinter der extremen Zuneigung: In diesem Fall hofft die Frau darauf, den Verbrecher von seinem inneren Dämon zu befreien. Eine weitere Begründung für die Zuneigung zu Inhaftierten ist die Tatsache, dass die Kriminellen nicht ausbrechen können – dadurch wirken sie erreichbar, auch wenn ein direktes Zusammentreffen noch nicht möglich ist.
- Aus der Ferne schreiben, darin steckt ein besonderer Reiz.
Typische Auslöser
Wenn die Faszination für Schwerverbrecher romantische Gefühle und sexuelle Fantasien verursacht, sind meistens die folgenden Ursachen dafür verantwortlich:
- traumatische Erfahrungen in der Kindheit
- geringes Selbstwertgefühl
- soziale Isolation
- übertriebenes Helfersyndrom
Dazu kommt oft der besondere Reiz der Gefahr. Der Gedanke, mit einem Kriminellen zusammen zu sein, löst eine starke Erregung und Adrenalin aus. Damit rückt die sexuelle Komponente in den Vordergrund.
Ein weiterer Grund für die Anziehungskraft von Gefängnisinsassen ist das Machtgefälle. Die Frau, die in Freiheit ist, fühlt sich in einer kontrollierenden Position. Der kriminelle Mann kann nicht weglaufen oder sie verletzen.
Manchmal löst ein früherer Kindesmissbrauch die Hybristophilie aus. Vielleicht haben die jetzt erwachsenen Frauen ihren Vater verraten oder für seine Handlungen gehasst: Nun möchten sie bei einem anderen Mann, der hinter Gittern sitzt, die positiven Gefühle wiederfinden.
Arten der Hybristophilie
Auf den ersten Blick scheint es zwei Arten der Hybristophilie zu geben: Die passive Hybristophilie bezieht sich auf die Hingabe zu Kriminellen. Bei der aktiven Hybristophilie machen die Frauen bei den kriminellen Taten mit.
Doch es gibt noch mehr Unterformen. So sehen sich einige Frauen als Retterinnen, die meinen, dass selbst Schwerverbrecher einen guten Kern haben. Ihre Liebe soll das Böse vertreiben und die edle Seele des Kriminellen erlösen.
Die selbst ernannten Seelenforscherinnen verspüren eine große Faszination für das Böse. Sie nehmen Kontakt zu Schwerkriminellen auf, um tiefer in die eigenen Abgründe sehen zu können.
Besonders archaisch wird es bei Frauen, die die Morde und anderen Schwerverbrechen als Zeichen für Stärke und Macht ansehen. Hier zeigt die Hybristophilie fast schon psychopathische Züge. Diese Frauen bagatellisieren die Taten oder finden vermeintlich gute Gründe für die Verbrechen.
Das Bonnie-und-Clyde-Syndrom
Das legendäre Paar mit krimineller Laufbahn ist der Namensgeber für die aktive Hybristophilie. Aus Liebe wird die Frau zur Mittäterin. Eine Gefängniswärterin verhilft dem Insassen zur Flucht, aus der Brieffreundin wird die Partnerin bei den nächsten Verbrechen, sobald der Kriminelle seine Strafe abgesessen hat – daraus kann eine starke Verbundenheit entstehen.
Vorliebe zu Kriminellen loswerden
Wer seine Vorlieben unterdrückt, fühlt sich unwohl und wie in einem Käfig. Das Ausleben der sexuellen Wünsche ist jedoch problematisch, wenn die begehrte Person im Gefängnis sitzt. Außerdem kann es riskant werden, sich nach der Haft mit einem Sexualstraftäter oder Mörder zu treffen. Womöglich werden die Frauen selbst zum Opfer.
Es gibt noch mehr gute Gründe, die Hybristophilie zu bewältigen. Durch die Überwindung der Paraphilie verbessert sich die Beziehungsfähigkeit und intime Erlebnisse werden angenehmer. Ein weiterer Vorteil ist das stärkere Selbstwertgefühl.
Hilfe finden
Um über die ungewöhnlichen sexuellen Vorlieben zu reden, gibt es Selbsthilfegruppen. Hier tauschen sich die Betroffenen aus, was auch im Zusammenhang mit den Brieffreundschaften sinnvoll ist.
Bei einer Psychotherapie kann ein kognitiv-behavioraler Ansatz die richtige Variante sein. Dieser geht von der Unveränderbarkeit der sexuellen Neigung aus und setzt auf eine verstärkte Verhaltenskontrolle.
Eventuell schlägt der Therapeut auch eine intensive Therapie zur Stärkung des Selbstbewusstseins vor, je nach Situation mit Ursachenforschung und Traumabewältigung.
Fällt es Ihnen schwer, mit Ärzten oder Therapeuten zu sprechen? Unser Selbsthilfe-Ratgeber bietet wertvolle Ratschläge, um diese Angst zu überwinden.
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Autoren, Überprüfung und Gestaltung:
Autorin: Julia Dernbach
Medizinische Überprüfung: Thomas Hofmann
Einarbeitung und Gestaltung: Matthias Wiesmeier